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SILC

European Union Statistics on Income and Living Conditions (EU-SILC)
Überblick

Die EU-SILC Erhebung bzw. „Community Statistics on Income and Living Conditions“ lässt sich als ein zentrales Element der europäischen Sozialstatistik bezeichnen und liefert harmonisierte Informationen über die Lebensbedingungen der europäischen Bevölkerung (Bauer & Lamei, 2005). Der EU-SILC wurde 2003 auf der Grundlage einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Eurostat und sechs Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Griechenland, Irland, Luxemburg und Österreich) sowie Norwegen erstmals durchgeführt und löste das als reines Panel konzipierte ECHP (European Community Household Panel) ab (Eurostat, o. J.). 2004 erfolgte die offizielle (verpflichtende) Erhebung in 15 Ländern; 2005 wurde der EU SILC auf alle damaligen Mitgliedstaaten der EU-25 sowie Norwegen und Island ausgeweitet. Aktuell listet die Eurostat alle 28 EU-Staaten und drei EFTA Länder (Island, Norwegen und die Schweiz) als teilnehmend.

Eine Besonderheit von SILC ist der rechtlich bürokratische Charakter, wird sie auf Basis von EU-Verordnungen und einer nationalen Verordnung (im Kontext von Österreich) durchgeführt: Basis ist die EU VO (EG) Nr. 1177/2003 und reicht von der Festlegung der Stichprobengröße bis hin zur zeitlichen Veröffentlichung der Ergebnisse bzw. den Zugang der Daten für wissenschaftliche Zwecke. Die Verordnung Nr. 1980/2003 regelt Definitionen von EU-SILC (bspw. wer als Haushaltsmitglied zu gelten hat), die Verordnung Nr. 1981/2003 Aspekte der Feldarbeit und die anzuwendenden Imputationsverfahren. Die Verordnung 1982/2003 bestimmt die Stichprobenauswahl und die Weiterbefragung, Verordnung Nr. 1983/2003 die primären Zielvariablen und Nr. 28/2004 die Inhalte der Qualitätsberichte, die an Eurostat zu liefern sind (intermediate und final quality reports). Selbst die jährlichen Modulfragen werden in eigenen Verordnungen normiert (siehe weiter unten). Auf nationaler Ebene wurde darüber hinaus vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz die Statistik der „Einkommens- und Lebensbedingungen-Statistikverordnung“ – ELStV; (BGBl. II Nr 277/2010) erlassen, welche unter anderem die Finanzierung (aktuell circa 1 Million Euro pro Jahr) und die Erhebung bzw. die Verknüpfung mit Verwaltungsdatensätzen regelt. Zusammenfassend läuft der SILC in strikten Bahnen, um eine gute Vergleichbarkeit zwischen den Ländern zu gewährleisten. Der bürokratische Überhang darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass an der Entwicklung des SILC eine große Zahl an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beteiligt waren (u.a. Atkinson, 2000, 2002), andererseits aber unter der Prämisse der Vergleichbarkeit viele der abgefragten Bereiche auf eher allgemeinem Niveau gehalten sind.

Obwohl der SILC unter dem Vorzeichen eines sozialpolitischen Steuerungsmechanismus (Stichwort: offene Methode der Koordinierung; auch OMK) zu sehen ist und die meisten Daten aufgrund definierter Sozialindikatoren erhoben werden (u.a. Eurostat, 1998, 2012), lassen sich die gewonnenen Informationen sehr wohl für sozialwissenschaftliche Arbeiten nutzen. Die Dokumentation ist sehr genau und findet sich auf der Webseite der Eurostat einerseits sowie für nationale Spezifika bspw. für Österreich bei der Statistik Austria andererseits (gleiches gilt auch für den Datenzugang). Die Kernfrage des SILC wurden darüber hinaus meist nur gering angepasst (meist liegen die Veränderungen im Detail) und sind dem Fragebogen (siehe Downloads) anhängig. Entsprechend sind auch Trendanalysen über einen längeren Zeitraum möglich, hierfür muss die Dokumentation genauer durchgesehen werden, ob über die Jahre methodische Anpassungen (etwa Glaser u. a., 2010; Lamei u. a., 2014) erfolgten – im Nachfolgenden ist das aktuelle Verfahren für Österreich beschrieben. Seit dem Jahr 2005 werden neben dem Kernmodul Sondermodule in die jährliche Befragung integriert, mit denen bestimmte Bereiche der Lebensbedingungen genauer erfasst werden sollen:

2005 – Intergenerationale Übertragung von Armut
2006 – Soziale Teilhabe
2007 – Wohnbedingungen
2008 – Überschuldung und finanzielle Ausgrenzung
2009 – Materielle Deprivation
2010 – Verteilung der Ressourcen innerhalb des Haushalts
2011 – Intergenerationale Übertragung von Benachteiligungen
2012 – Wohnbedingungen
2013 – Wohlbefinden
2014 – Materielle Deprivation
2015 – Soziale/kulturelle Teilhabe und materielle Deprivation
2016 – Zugang zu Dienstleistungen
2017 – Gesundheit und Gesundheit von Kindern
2018 – Materielle Deprivation, zum Wohlbefinden und zur Wohnungsnot

Für den SILC lohnt sich der Blick auf den Prozess der Datenproduktion (siehe Abbildung 1), da einerseits die Stichprobe aus etwa vier gleich großen Rotationsgruppen besteht (siehe weitere Informationen im Abschnitt „Stichprobe) und andererseits (speziell in Österreich) Informationen zum Einkommen aus Verwaltungsdaten gewonnen und mit den Befragungsdaten verknüpft werden. Da die Daten direkt für amtliche Berechnungen herangezogen und etwa an die Eurostat übermittelt werden, sind diese bereits intensiv auf Plausibilität geprüft. Die Veröffentlichung für wissenschaftliche Zwecke ist der Berichtlegung nachgereiht.

Abbildung 1 - Datenproduktion





Atkinson, A. B. (2000). A European social agenda: poverty benchmarking and social transfers (EUROMOD Working Paper No. EM3/00). Cambridge: Microsimulation Unit, Dep. of Applied Economics, Univ. of Cambridge. Abgerufen von http://hdl.handle.net/10419/91712

Atkinson, A. B. (Hrsg.). (2002). Social indicators: the EU and social inclusion. Oxford ; New York: Oxford University Press.

Bauer, M., & Lamei, N. (2005). EU-SILC - die neue Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen. Statistik Austria - Statistische Nachrichten, (3), 224–231.

Eurostat. (1998). Meeting of the statistical programme committee - Recommendations on Social Exclusion and Poverty statistics (CPS No. 31/2). Luxenburg: Eurostat.

Eurostat. (2012). Measuring material deprivation in the EU: indicators for the whole population and child-specific indicators. Luxembourg: Publications Office. Abgerufen von http://dx.publications.europa.eu/10.2785/33598

Eurostat. (o. J.). EHCP. Abgerufen 12. November 2017, von http://ec.europa.eu/eurostat/de/web/microdata/european-community-household-panel

Glaser, T., Heuberger, R., Kafka, E., Lamei, N., Skina-Tabue, M., & Till-Tenschert, U. (2010). Armutsgefährdung und Lebensbedingungen in Österreich Ergebnisse aus EU-SILC 2009 - Methoden und Vergleiche zu EU-SILC. Wien: Statistik Austria. Abgerufen von http://statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=055021

Heuberger, R., & Lamei, N. (2006). Das Datenmanagement in EU-SILC - von der Befragung zu Sozialindikatoren. Statistik Austria - Statistische Nachrichten, (11), 1054–1061.

Lamei, N., Angel, S., Glaser, T., Göttinger, S., Heuberger, R., Kafka, E., Skina-Tabue, M. (2014). Methodenbericht zur Rückrechnung von EU-SILC 2008-2011 auf Basis von Verwaltungsdaten. Wien: Statistik Austria. Abgerufen von http://statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=079281

Statistik Austria. (2017). Standard-Dokumentation Metainformationen (Definitionen, Erläuterungen, Methoden, Qualität) zur EU-SILC 2016. Wien.

Steckbrief
Ziel: Beschäftigungssituation, Einkommen der Haushaltsmitglieder, die Ausstattung der Haushalte, die Wohnsituation einschließlich der Ausgaben für das Wohnen, Bildung, Gesundheit und Zufriedenheit
Design: Integrierte Quer- und Längsschnitterhebung (bzw. rotierende Panelerhebung)
Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung in Privathaushalten in Österreich
Stichprobe: Geschichtete Wahrscheinlichkeitsstichprobe mit disproportionaler Allokation
Erhebungstechnik: CAPI (Computer Assisted Personal Interviewing) bzw. CATI (Computer Assisted Telephone Interviewing) unter Einbeziehung von Verwaltungsdaten (letzteres gilt aber nicht für alle teilnehmenden Länder)
Erhebungszeitraum: Im Frühjahr des Erhebungsjahres (circa von Februar bis Juni), um möglichst früh im Folgejahr Ergebnisse liefern zu können.
Webseite: Statistik Austria: Eurostat:
Themenschwerpunkte
Wohnungsmerkmale: Gebäude, Ausstattung der Wohnung, Rechtsverhältnis, Wohnprobleme
Wohnkosten: Energiekosten, Wohnkosten, Kreditrückzahlungen, Wohnkostenbelastung, Zahlungsrückstände
Lebensstandard: Finanzielle Kapazitäten des Haushalts
Haushaltseinkommen: Gesamtes Haushaltseinkommen, Auskommen mit Haushaltseinkommen, Sozialleistungen von Land oder Gemeinde, Unterhaltszahlungen
Einkommensquellen: Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit, Zahlung von Einkommenssteuer/Sozialversicherung, Einzahlung in private Pensionsvorsorge, Bezug einer Privatpension, Leistungen von privaten Kranken- oder Unfallversicherungen, bezogene und geleistete Privattransfers, geleistete Unterhaltszahlungen, Wertanlagen
Teilnahme am Erwerbs- und Bildungsleben: Angaben zur derzeitigen Beschäftigung (Erwerbstätige) bzw. zur vormaligen Beschäftigung (Pensionisten, Arbeitslose), aktuelles Einkommen aus der Haupterwerbstätigkeit, Lebensunterhalt in den einzelnen Monaten des Vorjahres (Erwerbskalender), Bildungsaktivitäten im Vorjahr
Gesundheit und Zufriedenheit: Gesundheitszustand, Einschränkungen, Inanspruchnahme medizinischer Leistungen, Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbereichen
Fragen zu den Kindern: Kinderbetreuungskosten, Ausmaß der Betreuung in Institutionen und durch Privatpersonen, Schulbesuch, materielle Deprivation usw.
Module: Jedes Jahr wird zusätzlich zum Standardfragebogen ein Modul zu einem bestimmten jährlich wechselnden Themenbereich erhoben.
Methodologie
Downloads
Zugang zu den Datensätzen


Daten (Österreich) können auf statistik.at bezogen werden. Zugang ist kostenlos.   

Daten (weiterer Länder) können auf eurostat bezogen werden. Zugang ist kostenlos.   

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Ausgewählte empirische Analysen auf Basis des Surveys
Bárcena-Martín, E., Blázquez, M., Budría, S., & Moro-Egido, A. I. (2017). Child and Household Deprivation: A Relationship Beyond Household Socio-demographic Characteristics. Social Indicators Research, 132(3), 1079–1098. https://doi.org/10.1007/s11205-016-1331-4
Dotti Sani, G. M. (2015). Within-Couple Inequality in Earnings and the Relative Motherhood Penalty. A Cross-National Study of European Countries. European Sociological Review, 31(6), 667–682. https://doi.org/10.1093/esr/jcv066
Grandner, T., & Gstach, D. (2015). Decomposing wage discrimination in Germany and Austria with counterfactual densities. Empirica, 42(1), 49–76. https://doi.org/10.1007/s10663-014-9244-4
Pfeiffer, S., Ritter, T., & Oestreicher, E. (2015). Food Insecurity in German households: Qualitative and Quantitative Data on Coping, Poverty Consumerism and Alimentary Participation. Social Policy and Society, 14(03), 483–495. https://doi.org/10.1017/S147474641500010X

V.2.1 - 2021