Artikel Wissenschaftliches Schreiben
Beitrag von Dr. Gerhard Furtmüller, Department für Management
Das Ziel von Wissenschaft ist Fortschritt. Dazu generiert sie Wissen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedient sie sich verschiedener Methoden. Eine zentrale Methode ist das wissenschaftliche Schreiben, bei welcher neu gewonnene Erkenntnisse dokumentiert werden. Studierende verfassen nach der STEOP im Rahmen von Seminaren die ersten wissenschaftlichen Texte. Die Bachelorarbeit soll dann das (vor-)wissenschaftliche Kernstück der akademischen Ausbildung darstellen. In diesen Arbeiten sollen die Studierenden nach sorgfältiger Literaturrecherche den Wissensstand zu einem bestimmten Themenfeld darstellen, auf praktische Problemstellungen anwenden und im Idealfall ein Problem sogar lösen können. Wesentlich dafür ist das Handwerkzeug des wissenschaftlichen Arbeitens. Dazu soll im Folgenden ein Überblick gegeben werden.
Am Anfang steht die Forschungsfrage
In einem ersten Schritt ist das zu bearbeitende Themenfeld, das entweder von den Betreuungspersonen vorgegeben wird oder selbst gewählt werden darf, einzugrenzen. Dies erfolgt durch die Forschungsfrage, die das Erkenntnisinteresse (Was soll wie erforscht werden?) fokussiert. Damit ist die Forschungsfrage der Grundbaustein eines wissenschaftlichen Textes und ist umso nützlicher, je detaillierter und fokussierter sie generiert worden ist. Beispiel: „Wie wirken sich kleine Anreize in Form von Bonuspunkten auf die Anzahl und die Qualität der abgegebenen Hausübungen in Personal, Führung, Organisation aus?“ Eine gut abgegrenzte Forschungsfrage erleichtert somit das wissenschaftliche Arbeiten. Sie gibt beispielsweise auch vor, welche Literatur für das Verfassen der wissenschaftlichen Arbeit relevant ist.
Die Literaturbearbeitung erfolgt auf den Schultern von Riesen
Bei der Literaturbearbeitung stellen sich die Autor/inn/en auf die Schultern von Riesen. Als Riesen können Wissenschafter/innen verstanden werden, die sich bereits intensiv mit einer Thematik oder einem Teilaspekt dieser Thematik beschäftigt haben und so schon fundierte Kenntnisse durch ihre Publikationen geschaffen haben. Es soll nach Möglichkeit primäre Literatur verwendet werden, die verlässlich und auch redlich – also vertrauenswürdig – ist. Die Angemessenheit der verwendeten Literatur wird vom jeweiligen Zweck abhängig sein. So unredlich in der Regel die Verwendung von Zeitungsinhalten ist, so passend kann die Zitation eines Zeitungsberichts – auch aus einer Boulevardzeitung – sein, um die Aktualität und Relevanz des Themas im Einleitungskapitel zu untermauern. Die Berücksichtigung des Kriteriums der Redlichkeit ist gerade im Zeitalter von Fake News von besonderer Bedeutung, da die Vertrauenswürdigkeit in die Institution Universität stets gegeben sein sollte. Bei der Literatursuche sind die umfangreichen Datenbestände der WU Bibliotheken eine gute Basis.
Die Zitation belegt die Herkunft von Quellen
In einem weiteren Schritt erfolgt die gezielte Verarbeitung der recherchierten Literatur. Dabei ist die zentrale Leistung des/der Studierenden, die gefundene Literatur sinnvoll und logisch nachvollziehbar zu verknüpfen. Dazu gibt es zwei Arten: die indirekten und die direkten Zitate. Bei der indirekten Zitation wird der Inhalt der Literatur eigenständig formuliert, aber sinngemäß wiedergegeben. Dies erhöht die Lesbarkeit des Textes und der/die Studierende zeigt somit, dass er/sie die Fähigkeit besitzt, fremde Gedanken eigenständig zu verarbeiten. In der Regel wird daher indirekt zitiert. Das direkte Zitat, bei dem die Inhalte wortwörtlich wiedergegeben werden, stellt damit die Ausnahme dar. Es kommt zur Anwendung, wenn andere Autor/inn/en etwas treffend ausgedrückt haben und ich das durch meine Zitation belegen möchte und auch nicht anders oder besser zum Ausdruck bringen könnte. „Direkte Zitate sind generell durch Anführungszeichen „…“ gekennzeichnet [...]“ (Jost/Richter, 2015, S. 157).
Die Art der Kennzeichnung der übernommenen Inhalte orientiert sich an den Zitationsrichtlinien. Dabei sind die Prinzipien der Nachvollziehbarkeit, der Vollständigkeit und der Einheitlichkeit anzuwenden. Das Prinzip der Nachvollziehbarkeit, klärt die Herkunft der Literatur. Damit soll klar gestellt werden, welche Inhalte aus anderen Textquellen stammen und in welchem Bereich des Textes eine kreative Eigenleistung vorliegt. Das Prinzip der Vollständigkeit ermöglicht die Auffindbarkeit von Quellen in einer wissenschaftlichen Arbeit. Im Text der wissenschaftlichen Arbeit wird in der Regel der/die Autor/in mit Angabe der Jahreszahl der Erscheinung der Publikation und der Seitenzahl angegeben. Daher wird eine Langform der Literaturquelle, die alle zentralen Informationen des Werkes enthält, am Ende des Textes im Literaturverzeichnis angegeben und ermöglicht so das Auffinden der Quelle. Beispiele:
›› Im Text wird die Kurzform angegeben: (vgl. Rößl, 2008, S. 153-154).
›› Im Literaturverzeichnis wird die Langform dargestellt, um die Quelle auffinden zu können: Rößl, Dietmar (2008): Hinweise zur formalen Gestaltung. In: Rößl, Dietmar (Hrsg.): Die Diplomarbeit in der Betriebswirtschaftslehre. 4. Auflage. Facultas. Wien. S. 138-174.
Das Prinzip der Einheitlichkeit stellt ein zentrales Qualitätskriterium dar. Die einheitliche Verwendung von Begriffen, einer geschlechtergerechten Sprache und auch die stets gleiche Kennzeichnung der Zitate, erfüllen das Qualitätskriterium der Einheitlichkeit. Damit wird ein Beitrag zur wahrheitstreuen Beschreibung der Sachverhalte geleistet. Das sind die grundlegenden Prinzipien, die beim Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten bezüglich Zitation zu beachten sind und die stets ihre Gültigkeit haben. Die konkreten Regeln können jedoch von Universität zu Universität und auch von Institut zu Institut unterschiedlich sein. Daher sollten stets die Leitfäden, die von den jeweiligen Institutionen oder Personen publiziert wurden, beachtet werden. Als Quintessenz ist an dieser Stelle wichtig festzuhalten, dass die Anwendung der soeben vorgestellten Meta-Regeln eine zentrale Orientierung für das Verfassen von wissenschaftlichen Texten ist. Im Rahmen Ihres Bachelorstudiums werden Sie die Lehrveranstaltung „Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens“ bzw. „Forschungsmethoden“ besuchen, in welchen Ihnen die notwendigen Werkzeuge detaillierter vermittelt werden.
Mutmacher - und nicht Ängste - sollen die Wegbegleiter sein
Aus meiner langjährigen Erfahrung als Vortragender heraus weiß ich aber auch von Ängsten der Studierenden zu berichten. Zwei dieser zentralen Befürchtungen sind:
›› 1. Kann ich mit einer so engen Forschungsfrage auch eine umfangreiche Arbeit von bspw. 50 Seiten schreiben?
Ja, zweifelsohne. Eine gute Arbeit basiert auf einer detaillierten und somit fokussierten Forschungsfrage, die einen Themenkomplex inhaltlich, zeitlich und auch örtlich eingrenzt. Bei einem zu breit gewählten Thema beginnt bereits die Literatursuche zu einer zeitlichen Herausforderung zu werden. Ein ähnliches Problem ist dann bei der Aufarbeitung der Literatur gegeben, da die Anfangs- und Endpunkte nicht klar bestimmt sind und somit alles wichtig erscheint – auch wenn es von untergeordneter Relevanz ist.
›› 2. Wie weiß ich, dass es sich bei meiner Arbeit um kein Plagiat handelt?
Die Anwendung der beschriebenen Grundprinzipien ist eine gute Basis für das Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten. Somit wird durch die Anwendung der Kriterien wie der Nachvollziehbarkeit, der Vollständigkeit und der Einheitlichkeit ein wissenschaftlicher Text entstehen, der jeder – auch nachträglichen – Überprüfung standhält. So wird sich die Einzigartigkeit von uns Individuen auch beim wissenschaftlichen Arbeiten widerspiegeln.
Für die Schaffung eurer wissenschaftlichen Arbeit wird eine fundierte Forschungsfrage leitend sein, die sich u.a. auch in Ihrer persönlichen Literaturverarbeitung wiederfindet. Damit wird sich die Frage nach einem Plagiat nicht stellen, da jede/r Verfasser/in einer wissenschaftlichen Arbeit seinen/ihren Weg geht.
Wege entstehen beim Gehen
Daher wünsche ich euch fokussierte Forschungsfragen, die das Lesen und Verarbeiten der Literatur zu einer spielerischen Herausforderung werden lassen und die euch neue Erkenntnisse auf dem Weg zu euer Graduierung ermöglicht. Wesentlich dabei ist, mit dem Arbeiten zu beginnen, da die Wege bekanntlich beim Gehen entstehen.
Literatur:
›› Jost, Gerhard/Richter, Lukas (2015): Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens. Facultas. Wien.
›› Rößl, Dietmar (2008): Hinweise zur formalen Gestaltung. In: Rößl, Dietmar (Hrsg.): Die Diplomarbeit in der Betriebswirtschaftslehre. 4. Auflage. Facultas. Wien. S. 138-174.