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Soll ich anders lernen als bisher?

Beitrag von Frau Prof. Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik

Eine Einführung in Lernstrategien und Arbeitstechniken für das Studium


Kennen Sie die folgenden Situationen?
››
Sie sitzen im Unterricht und hören zu. Da fällt Ihnen auf, dass Sie eigentlich seit einiger Zeit schon an etwas anderes gedacht haben und gar nicht sagen könnten, was der/die Lehrende gerade erklärt. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass Sie nichts gefragt werden!

›› Ähnliches beim Lernen zu Hause: Sie lesen einen prüfungsrelevanten Text und markieren wichtige Teile. Etwa bei der Mitte der Seite stellen Sie fest, dass Sie keine Ahnung haben, was Sie gerade gelesen haben.

›› Ihnen ist bekannt, dass Wiederholungen das Lernen fördern, also wiederholen Sie den gesamten Prüfungsstoff immer wieder. Dennoch können Sie sich bei der Prüfung an Inhalte nicht erinnern. Bei manchen Prüfungsaufgaben ist Ihnen zwar klar, worum es geht und Sie haben den entsprechenden Stoff auch „gelernt“, aber Sie können die Aufgaben dennoch nicht lösen.

Es ist schon vielen Studierenden vor Ihnen so ergangen. Diverse Befragungen von Studienanfänger/inne/n an der WU haben ergeben, dass die meisten Probleme damit haben, sich die Zeit für die Prüfungsvorbereitung richtig einzuteilen. Sie beginnen erst zu lernen, wenn die Zeit schon knapp wird, halten ihre Lernpläne nicht ein und lernen erst dann, wenn der Druck schon sehr groß ist. Außerdem fällt es vielen schwer, den Lernstoff selbst zu strukturieren und zusammenzufassen. Falls Sie diese Schilderungen an Ihre Lernerfahrungen erinnern, sollte Ihnen der folgende Text jedenfalls etwas Neues bieten, nämlich Hinweise, warum es bisher nicht immer so gut gelaufen ist, und was Sie in Ihrem Studium vielleicht (noch) besser machen könnten.
 

Das Lernen in Lehrveranstaltungen
Gerade wenn Sie für mehrere unterschiedliche Fächer parallel lernen, sollten Sie auch die Zeit in den Lehrveranstaltungen optimal nutzen – es sei denn, Sie haben beschlossen, die (nicht anwesenheitspflichtigen) Lehrveranstaltungen (LVs) nicht zu besuchen und ausschließlich zu Hause zu lernen.
 

Bereiten Sie sich auf jede Lehrveranstaltung vor!
Diese Vorbereitung muss gar nicht aufwändig sein und kann dennoch effektiv sein. Stimmen Sie sich einfach auf die Lehrveranstaltung ein, indem Sie

›› überlegen, was Sie über das Themengebiet schon gelernt/gehört haben oder was Sie damit verbinden (das gilt besonders für die erste LV-Einheit);

›› Inhalte wiederholen, die in dieser Lehrveranstaltung schon durchgenommen worden sind (das gilt für alle weiteren Einheiten);

›› Inhalte vorbereiten, die in der kommenden Einheit durchgenommen werden sollen (z.B. durch Lesen der relevanten empfohlenen Literatur und Herausschreiben der wichtigsten Fragen). Überlegen Sie, was Ihnen noch unklar ist und fragen Sie dann in der LV nach.
 

Lassen Sie sich nicht nur "berieseln"!
Auch wenn ein Skriptum die LV inhaltlich unterstützt, macht es Sinn, die wichtigen Aussagen mitzuschreiben. Das Mitschreiben zwingt Sie dazu, beim Zuhören Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden bzw. die Inhalte halbwegs strukturiert zu Papier zu bringen und erleichtert es Ihnen damit, gedanklich beim Vortrag zu bleiben. Schreiben Sie jedenfalls nicht wortwörtlich, sondern nur in Stichworten mit. Ihre persönlichen Kürzel helfen Ihnen, der Geschwindigkeit des gesprochenen Wortes zu folgen.
 

Nachbereitung der Lehrveranstaltung
Sehen Sie zunächst Ihre Mitschrift durch. Ist sie vollständig, lesbar und (auch nach einer Woche noch) inhaltlich für Sie nachvollziehbar? Ergänzen Sie, was fehlt bzw. strukturieren Sie gegebenenfalls Ihre Mitschrift. Wenn Sie den Eindruck haben, die Inhalte verstanden zu haben, versuchen Sie, ein Beispiel aus dem entsprechenden Kapitel zu lösen (z.B. eine ehemalige Prüfungsfrage zu beantworten, eine konkrete Aufgabenstellung zu bearbeiten).


Effektives Wiederholen
Den meisten ist bekannt, dass Wiederholungen dabei helfen, das Gelernte nicht wieder zu vergessen. Doch auch bei der Art der Wiederholung gibt es qualitative Unterschiede. Inhalte ständig nur durchzulesen ist eine sehr oberflächliche Art der Stoffwiederholung. Sie können den Stoff zwar vielleicht wiedergeben, aber vermutlich (noch) nicht anwenden, d.h. eine konkrete Aufgabenstellung lösen. Effektiver ist Ihre Wiederholung, wenn Sie

›› konkrete Beispiele lösen (Arbeitsaufgaben, Rechenbeispiele,...);

›› (evtl. auch selbst erstellte) Fragen zu den Inhalten beantworten;

›› Zwischenzusammenfassungen schreiben;

›› die Inhalte grafisch strukturiert auf ein bis zwei Seiten darstellen;

›› versuchen, das Gelernte jemandem zu erklären, der es noch nicht kann.
 

Das selbstständige Lernen aus Büchern und Skripten
Wie lernen Sie für gewöhnlich aus einem Buch oder einem Skriptum? Beginnen Sie auf Seite 1 des Textes zu lesen und haben Sie ein paar Seiten weiter den ersten „Durchhänger“? Ebenso wie beim Besuch einer Lehrveranstaltung sollten Sie auch beim selbstständigen Lernen zunächst Ihr Interesse an den Inhalten entdecken, Ihr Vorwissen „aktivieren“, einen groben Überblick über den Lernstoff gewinnen und erst dann mit der Erarbeitung der einzelnen Kapitel beginnen.

Überlegen Sie vor dem Lesen, was Sie bereits über das Thema wissen oder gehört haben, oder was Ihnen dazu einfällt. Sie können erste Fragen, die Ihnen zu dem Thema einfallen, notieren. Blättern Sie dann das Inhaltsverzeichnis durch und verschaffen Sie sich einen Überblick über die Inhalte und ergänzen Sie Ihre Notizen durch neu hinzugekommene Fragen.

Erstellen Sie einen Lernplan, wann Sie welche Abschnitte oder Kapitel eines Buches oder Skriptums lernen möchten. Planen Sie Zeitpuffer ein, falls Sie für einen Teil länger brauchen als geplant. Der Plan muss realistisch sein, sonst wird er Sie nur frustrieren oder verunsichern. Beginnen Sie dann mit dem ersten Teil. Wenn der Text keine Grafiken oder übersichtliche Strukturen vorsieht, versuchen Sie selbst, die Inhalte grafisch zu strukturieren. Fassen Sie kleinere Einheiten mit eigenen Worten kurz zusammen. Diese Kurzzusammenfassungen und Ihre grafischen Strukturen sind eine wichtige Grundlage für Ihre Stoffwiederholungen. Versuchen Sie auch, die Fragen zu beantworten, die Sie zu Beginn des Lernens notiert haben.

Wenn Ihnen manche Inhalte sehr schwer fallen, widerstehen Sie trotzdem der Versuchung, diese einfach auswendig zu lernen. Bei Anwendungsaufgaben wird Ihnen auswendig Gelerntes wenig helfen. Sie vergessen die Inhalte sehr rasch oder können sie nur unvollständig oder fehlerhaft wiedergeben. Besonders bei mündlichen, aber auch bei schriftlichen Prüfungen kann der/die Prüfer/in häufig an der Art, wie Sie antworten, erkennen, ob Sie die Antwort nur auswendig gelernt haben oder ob Sie die Inhalte auch verstanden haben.